Autor: Dipl.-Ing. Lutz Ragnar Müller - 30.11.2013 - alle Rechte vorbehalten
Es gibt verschiedene Arten von Sachverständigen, die der Laie meist weder kennt, noch unterscheiden kann.
Und wenn er sie kennt, dann ist das Wissen über die genaue Bedeutung dieser oder jener Art selten in allen
Einzelheiten bekannt.
Die einfachste, aber nicht unbedingt die schlechteste Art eines Sachverständigen, ist die des freien oder
unabhängigen Sachverständigen. Dabei sind zwar die grundsätzlichen Bedingungen und Qualifikationen
einzuhalten, die Ernennung erfolgt allerdings selbst. Der Sachverständige sollte sich allerdings auch an dem
Maßstab Unabhängigkeit messen lassen können, was auch in erster Linie gedankliche Unabhängigkeit
meint.
Daneben gibt es aber auch verbandsangehörige Sachverständige, die einem der vielen Verbände
angehören. Hier sollten die Bedingungen Objektivität, Neutralität und Weisungsfreiheit auch
für den Verband gelten. Die Mitgliedsbedingungen sind dabei so unterschiedlich wie die Verbände selbst.
In vielen Fällen muss der dem Verband angehörige Sachverständige eine Prüfung durch den Verband
ablegen.
Angesicht des heutigen Zertifizierungswahns gibt es natürlich auch entsprechende Sachverständige. Dabei
sind zwei verschiedene Arten zu unterscheiden: den zertifizierten Sachverständigen nach DIN ISO 9001 und den nach
DIN EN ISO IEC 17024. Beim nach DIN ISO 9001 zertifizierten Sachverständigen handelt es sich um eine
Bürozertifizierung, bei der es um Qualitätsmanagement geht. Ob der Sachverständige Fachkompetenz besitzt,
ist dabei absolut zweitrangig. Die Hauptsache ist, das Büro ist durchorganisiert und alles steht an seinem Platz.
Der zertifizierte Sachverständige nach DIN EN ISO IEC 17024 muss neben der Einreichung von mehreren Gutachten sich auch
einer persönlichen und fachlichen Prüfung unterziehen. Hierbei werden sein Fachwissen sowie seine eingereichten
Gutachten eingehend geprüft und beurteilt. Erst dann erfolgt die Zertifizierung.
Weiterhin gibt es amtlich anerkannte Sachverständige. Diese arbeiten - meist als Angestellte - sogenannter
hoheitlich beliehener Organisationen im Auftrag des Staats. Bekannt ist die Prüfung von Kraftfahrzeugen, die
gesetzlich vorgeschrieben ist. Der Staat hat diese ihm obliegende Aufgabe an andere Firmen übertragen, die diese
Arbeiten dann in seinem Auftrag durchführen.
Ganz anders verhält es sich bei staatlich anerkannten Sachverständigen. Diese führen im Regelfall keine
hoheitlichen Aufgaben durch, sondern bestenfalls teilhoheitliche Arbeiten wie beispielsweise bei vorhandener
Bauvorlageberechtigung bei Architekten und Ingenieuren. Hierbei werden die Bauunterlagen durch die Bauvorlageberechtigten
eingereicht und das Amt prüft auf Vollständigkeit und Plausibilität. Bei den staatlich anerkannten
Sachverständigen gibt es viele Unterarten (z.B. für Schall und Wärme, Standsicherheit von Gebäuden,
Brandschutz), deren Prüfungen ebenso unterschiedlich - auch hinsichtlich des geforderten Fachwissens und der
Prüfungsqualität - ausfällt.
Als letzte Art von Sachverständige bleiben die öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen
(ö.b.u.v.). Hierzu gibt es eine gesetzliche Bestellvoraussetzung: § 36 der Gewerbeordnung.
In dieser Rechtsvorschrift ist festgelegt, welche Voraussetzungen ein öffentlich bestellter und vereidigter
Sachverständiger mitzubringen hat, um diese öffentliche Bestellung zu erhalten.
Es sind im Wesentlichen die gleichen Bedingungen, an die sich auch die anderen Sachverständigen zu halten haben.
Der einzige wirkliche Unterschied besteht darin, dass die öffentlich bestellten und vereidigten
Sachverständigen einen Antrag stellen mussten. Bei einer Bestellung werden sie von Gerichten bei Bestellung als
Gerichtsgutachter bevorzugt berücksichtigt.
Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige bringen im Regelfall kein größeres oder
breiteres Fachwissen mit als andere Sachverständige auch, werden aber - ähnlich wie Mediziner - als die
wahren Sachverständigen beim Laien angesehen. Dass die Qualität teilweise ausgesprochen schlecht ist, kann
der Laie vorab nicht prüfen.
Auch die irrige Meinung eines nur richtigen Gutachtens durch einen ö.b.u.v. Sachverständigen zu erhalten,
hält sich hartnäckig. Dabei entbehrt sie jeder Grundlage. Bei Gericht hat das so vorgelegte Gutachten den
gleichen Beweiswert wie ein Gutachten eines anderen Sachverständigen, nämlich nur den eines Parteienvortrags.
Nur im Ausnahmefall der gerichtlichen Bestellung als neutraler Gutachter verhält es sich etwas anders, aber auch dort
bildet die Meinung des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen nicht immer die Wahrheit am
besten ab. Auch hier gilt: nicht das Teure ist das Beste.